Der Goldhelm Verlag
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Kilometerstein
Eine Gedichtsammlung von Walter Werner
Eintragung ins Grundbuch nannte Wulf Kirsten seine 1996 erschienene Anthologie Thüringer
Gedichte. Der Buchtitel stammt von Walter Werner. Wie kein zweiter Lyriker hatte sich
dieser Schriftsteller mit seinen Werken in die Nachkriegsseiten jenes imaginären
Grundbuches eingetragen.
1995 starb Walter Werner im Alter von 73 Jahren. Seine Gedichte, damals als ein Denkmal
der Zeit gefeiert, sind für die Spätleser indes nur noch ein Kilometerstein entlang von
Wort-Wegen.
Um so erfreulicher ist jetzt das Wagnis des Goldhelmverlages aus Manebach, eine Sammlung
nachgelassener Gedichte Walter Werners zu veröffentlichen. Nach weißem Mondlicht tauchen
heißt die Blumenlese, die von Astrid Debes betreut und gestern zur Eröffnung der
Thüringer Bücherschau im Landtag vorgestellt wurde.
Es ist ein Querschnitt des Lebens, den diese Sammlung vereint. Anders als in den
bisherigen Bücher Werners wird hier ein fast biografischer Gedichte-Ring geschlossen, bis
hin zu einigen Stücken aus dem 1996 erschienenen Nachlass. Es ist bestechend, welche
Gleichnisse er aus der Natur auf die geschlossene DDR-Gesellschaft überträgt, ja wie er
darin seine Zerrissenheit reflektiert.
In das Mondlicht einzutauchen, wie es in dem Gedicht Vom Schwimmen in kalten Bächen
heißt, ist eine schöne Verlockung, leider auch nur ein Abglanz. Es ist die Suche nach
Utopie und Utochronos, der idealen Zeit und dem idealen Ort. Walter Werners Gedichte sind
Fundstücke dieser Suche.
Karsten JAUCH
(Thüringer Allgemeine, 24.4.2001, www.thueringer-allgemeine.de)
Eine literarische Meisterleistung
"Abriss" nannte Dr. Astrid Debes, Ärztin und Psychotherapeutin in Ilmenau,
ihr Bauch, das nach eigenem Bekunden 1989/90 entstand. "Abriss", ein
doppeldeutiger Begriff, zum einen ein Kompendium von Gedanken, Wertungen,
Nachempfindungen, zum anderen aber in seiner wörtlichen Bedeutung Zerstörung eines
(baufälligen) Gebäudes. Beides trifft in diesem Falle zu, schließlich ist es die Zeit
der so genannten "Wende" gewesen, als dieses Buch entstand.
Astrid Debes gehört zu den ehemaligen DDR-Bürgern, die sich zwischen Scham und Trauer
mit dem System auseinandersetzen, dem sie zugleich gedient haben und doch wussten, dass es
Träume verwehrte, Ängste als Zuchtmittel nutzte und bei vielen die Scham über die
eigenen Feigheit nur notdürftig zudeckte.
So wurde die Wende Teil ihrer Genesung nach langer Krankheit, eine Genesung, die auf einem
einsamen Wanderweg zugleich eine intensive innere Wanderung durch all die Jahre und das
Erleben in einem Staat einschloss, der so viel Idealismus zerstörte, bevor die innere
Wende Erkenntnis bedeutete.
Die einzelnen Kapitel dieses Buches sind für sich eine literarische Meisterleistung,
zugleich aber alles andere als eine leichte Kost des Darüberhinweglesens. Es steht so
viel zwischen den Zeilen, es verbirgt sich so vieles hinter Metaphern, die es zu
entschlüsseln gilt. Wer aber dieses Buch intensiv liest, wird nicht nur tief schürfende
Einblicke in ein Leben in diesem so genannten Arbeiter- und Bauernstaat gewinnen, sondern
auch bei einiger Sensibilität Mentalität und innere Befindlichkeit eine kritischen
DDR-Bürgers nachvollziehen können.
Immer wieder fällt die Belesenheit der Autorin auf, die sich in Zitaten und den Kern der
Dinge treffenden Aussagen von Dichtern Wegweisung holt. Aber auch sie selbst weiß in
dichterischen Bildern ihre Auseinandersetzung mit dem Gestern und dem Weg in das Neue,
noch unsicher Machende gekonnt "verdichtend" darzustellen.
"Fahren wir, in der Hand einen Zweig", sagt sie, ein Bild, das Abschied und
Hoffnung zugleich ausdrückt. Auf diesem Weg in die Zukunft endet diese höchst
lesenswerte Buch mit zwei Zeilen aus einem Gedicht von Hermann Hesse: "Des Lebens Ruf
an uns wird niemals enden - Wohlan denn Herz, nimm Abschied und gesunde!"
Genau darin liegt die Überwindung von Scham und Trauer, die Astrid Debes gesucht und
gefunden hat. Sie hat ein Buch geschrieben, das gleichermaßen in Ost und West gelesen
werden sollte, gewiss im Westen noch eher, da es einen Brücke des Verstehens baut, die zu
begehen noch lange Aufgabe und Auftrag sein wird.
Fritz KUHN
(Rhön- und Saalepost, Bad Neustadt a. S, 13.8.2001)
Versagen der Staatssicherheit im Herbst '89 programmiert
Studie von Martin Debes erklärt, warum das MfS am Ende wirkungslos blieb
Von OTZ-Redakteur Frank Döbert
Im Herbst 1989 griff das Instrumentarium des Ministeriums für Staatssicherheit zur
Überwachung, Durchdringung und Zersetzung oppositioneller Kräfte bekanntlich nicht mehr;
die Ursachen dafür sind vielfältig. In einer neuen Publikation ist jetzt Martin Debes,
Politik-Student an der Jenaer Universität, zu dem Schluss gekommen, dass die
Staatssicherheit bei allen diesen inneren und äußeren Faktoren, die im Wendeherbst eine
Rolle spielten, versagen musste.
In seiner 100-seitigen Arbeit, erschienen im Goldhelm Verlag Manebach, ISBN 3-931101-04-5,
Titel »Durchdringen und Zersetzen - Die Bekämpfung der Opposition in Ostthüringen durch
das MfS im Jahre 1989«, zeichnet er das Bild von einem »Geheimdienst, der immer noch
entschlossen und ohne Skrupel zugeschlagen hätte - wenn der entsprechende Befehl aus der
Parteizentrale gekommen wäre«. Für seine am Jenaer Institut für Politikwissenschaft
erstellte Magisterarbeit wertete er eine Vielzahl von Akten des MfS und Literatur aus,
führte Gespräche mit Zeitzeugen. So ist nachvollziehbar, dass das MfS auch im Herbst
1989 meinte, die oppositionellen Kräfte im Bezirk Gera fest im Griff zu haben.
Wie fest, das geht aus den trotz umfänglicher Aktenvernichtungen überkommenen und in der
Gauck-Behörde einsehbaren Operativen Vorgängen und Personenkontrollen hervor, mit denen
sämtliche Exponenten der Opposition, u.a. etwa die Jenaer Gotthard und Uta Lemke,
Albrecht Schröter, Eberhard Stein und Markus Heckert, erfasst waren. Mit einer Heerschar
Inoffizieller Mitarbeiter versuchten die Tschekisten, das Wirkungsfeld der Opposition
einzuengen, ohne dabei jedoch in Ostthüringen über einen »Topspion« wie Wolfgang
Schnur oder Ibrahim Böhme verfügen zu können. Dem MfS sei es äußerst schwer gefallen,
mit einer ausreichenden Zahl von qualifizierten IM in den turbulenten Wochen des Umbruchs
die neuen Bewegungen und Parteien zu durchdringen. »Die bis dahin bewährten Mittel der
Zersetzung konnten kein Wirkung mehr entfalten.
Eine Steuerung der Opposition durch das MfS hat es in Ostthüringen nicht gegeben«,
folgert Martin Debes. Vorrangige Zielrichtung sei am Ende nicht mehr die Zersetzung,
sondern die Kanalisierung in eine dem MfS genehme Richtung gewesen.
Gleichwohl sind bis in den November 1989 hinein die Planungen in »Vorbeuge-Komplex« auf
tagesaktuellem Stand gehalten worden, um auf Befehl hin die über 6000 »Staatsfeinde« im
Bezirk Gera schlagartig verhaften und in Lagern isolieren zu können. Auffällig sei auch
eine »Gemächlichkeit« der Ereignisse, die ihre Ursache im provinziellen Charakter des
Bezirkes habe.
So habe sich auch herauskristallisiert, dass Gera - bevölkerungsreichster Ort in
Ostthüringen - aufgrund seiner Sozialstruktur nicht über ein ausreichendes
intellektuelles Potential für eine kontinuierliche Entwicklung systemkritischer
Gruppierungen verfügte und damit die Bezirksstadt als eindeutiges Zentrum des
Widerstandes ausfiel. Jena sei mit dieser Aufgabe, bedingt durch die starke Konzentration
des MfS und die Zerschlagung oppositioneller Kräfte in den 70er und 80er Jahren,
überfordert gewesen.
(Ostthüringer Zeitung, 2000, www.otz.de) |